Wie Schwennigen für eine waschechte Französin ein Jahr lang zur Heimat wird

Frau sitzt auf Bänken vor der Schule

Mit einem Lächeln blickt Coline Christmann aus dem Fenster des Besprechungszimmers des Gymnasiums am Deutenberg (GaD). "Endlich scheint die Sonne und es wird wärmer", freut sie sich. Die 21-jährige Französin aus der Region Nouvelle Aquitaine im Südwesten des Landes fiebert dem Tag entgegen, an dem sie endlich wieder auf der Terrasse eines Cafés einen Kaffee trinken kann. Diese typisch französische Gewohnheit möchte sie auch während ihres rund einjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht ablegen. Und doch ist Christmann mit soviel Neugier und Lust auf Neuentdeckungen hierher gekommen.

Und das ist kein Wunder, hat sie doch die Fremdsprachen Deutsch und Englisch mit Bachelor-Abschluss studiert. "Ich wollte schon immer viel reisen und Sprachen lernen", erzählt sie. Von Deutschland ist sie besonders angetan, spätestens nach ihrem Erasmus-Semester in Heidelberg, ihrer Lieblingsstadt, wie sie sagt, und beschreibt sie als "Melting Pot" verschiedenster Menschen und Kulturen.

Ruhige und ländliche Atmosphäre

Dass es sie für ihr Jahr als Fremdsprachenassistentin nach Schwenningen ans GaD verschlagen hat, darauf hatte sie bei der Organisation, über die sie hier ist, keinen Einfluss. Das Bundesland habe sie hingegen auswählen können. In Heidelberg sei es zwar leichter gewesen, neue Menschen kennenzulernen und sich ins neue Leben zu integrieren, dafür mag Coline Christmann aber die ruhigere und ländlichere Atmosphäre der Doppelstadt. "Für ein Jahr ist es wirklich eine tolle Erfahrung", kann sie jetzt schon sagen.

Ihre Aufgaben als Fremdsprachenassistentin? Die 21-Jährige unterstützt die GaD-Lehrer im Französischunterricht, macht mit der einen Hälfte einer Klasse Übungen, die sie selber vorbereitet. Vor Kurzem etwa hat sie mit den Schülern ein Vorstellungsgespräch zwischen Arbeitgeber und Bewerber simuliert. Eingesetzt werde sie da, wo Bedarf ist. Ihr Stundenplan ist recht flexibel gehalten, zwölf Schulstunden pro Woche verbringt sie am Deutenberg. Und freut sich, zu merken, dass die Schüler durch ihr Interagieren auch tatsächlich Fortschritte machen. "Sie trauen sich, mehr Französisch zu sprechen", kann die Fremdsprachenassistentin immer wieder feststellen.

Unterschiede zwischen deutschem und französischem Schulleben

Und auch wenn Coline Christmann zum ersten Mal seit ihrer eigenen Gymnasialzeit wieder an einer Schule ist, kann sie dennoch einige Unterschiede zwischen dem französischen und deutschen Schulleben ausmachen. Hier sei ihr sofort die moderne Ausstattung aufgefallen, unter anderem in Sachen Lernen mit Computer und Handy. "Ich finde, die Schule ist besser strukturiert und organisiert als in Frankreich", findet Christmann. Und was sie vor allem beeindruckt: "Es herrscht viel Respekt zwischen Lehrern und Schülern, ich mag diese gute Lebensqualität an der Schule." Vorteilhaft findet die Fremdsprachenassistentin zudem, dass das Schuljahr in Deutschland nicht so komprimiert und vollgepackt ist wie in Frankreich, wo es rund drei Monate Sommerferien gibt. So bleibe den deutschen Schülern mehr Zeit für andere Aktivitäten.

Auch außerhalb des GaD hat die Französin recht schnell Fuß gefasst in Schwenningen. Wenngleich es durch die Corona-Pandemie derzeit nur eingeschränkt möglich ist, konnte sie schon diverse Freizeitmöglichkeiten, Restaurant- und Biergartenbesuche auskosten. Mit zwei Studenten wohnt sie zusammen in einer WG und hat über sie viele andere Studenten kennengelernt. "Ich wollte nicht alleine leben, um mich schneller zu integrieren", berichtet Coline Christmann.

Mit Vorurteilen aufgeräumt

Apropos integrieren: Das könne man nämlich in Deutschland schneller und einfacher als in Frankreich, findet die 21-Jährige. Beim Thema Corona-Unterschiede kann sie zudem die bessere Organisation und Umsetzung der Corona-Maßnahmen hierzulande herausstellen. Überhaupt ist sie mittlerweile angetan von den meisten Regeln und Strukturen in Deutschland, die in Frankreich teilweise nur belächelt würden. Und den Vorurteilen, die es über Deutschland in ihrer Heimat gibt, kann Coline Christmann inzwischen auch nicht mehr zustimmen: "Hier soll es immer nur kalt sein und keine Sonne scheinen, die kleineren Städte seien uninteressant, das Essen schmecke nicht so gut und die Deutschen hätten keinen Humor", zählt sie die Vorurteile auf – ganz unbeeindruckt. Denn die Französin überlegt schon, in welcher größeren deutschen Stadt – gerne Berlin oder München – sie als nächstes als Fremdsprachenassistentin arbeiten möchte.

Einzig die Tatsache, dass die Franzosen mehr Zeit und Muße dem Essen widmeten, kann sie zustimmen – und dem Genießen einer guten Tasse Café au lait im Freien. Aber den wird sie erwartungsgemäß bald auch in Schwenningen schlürfen können.

Ein Bericht von Mareike Kratt, Schwarzwälder Bote vom 10.02.2022.

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